Umwelt

CIRCULAR ECONOMY
IM BAUSEKTOR

Koalitionsverträge und Wahlprogramme sind häufig geprägt von Visionen rund um eine bessere Zukunft. Dies gilt aktuell auch für die politische Debatte zum Thema Circular Economy. Der Fokus liegt dabei auf der Reduzierung von Primärrohstoffen durch eine intensivere Nutzung von Sekundärrohstoffen. Doch ist das für den Bausektor realistisch?

Die Bauwirtschaft hat einen erheblichen Bedarf an mineralischen Roh- und Baustoffen. So werden jährlich rund 550 bis 600 Mio. t Gesteinskörnungen für Bauvorhaben eingesetzt. Gleichzeitig fallen mit über 200 Mio. t große Mengen mineralischer Bauabfälle an. Doch nur rund 40 % der mineralischen Bauabfälle sind dazu geeignet, primäre Gesteinskörnungen zu ersetzen. Dieses Potenzial wird bereits heute zum allergrößten Teil genutzt. Damit ist klar, dass durch Circular Economy im Bausektor der Bedarf an Primärrohstoffen nicht nennenswert gesenkt werden kann und dass die Vorstellung, durch Urban Mining gänzlich auf Primärrohstoffe verzichtet zu können, eine Vision bleiben wird.

90 %
Verwertungsquote bei mineralischen Bauabfällen
Ansprechpartner
Dr. Berthold Schäfer, Geschäftsführer Technik
b.schaefer@bvbaustoffe.de

Monitoring-Berichte zu mineralischen Bauabfällen

Die vom bbs koordinierte Initiative Kreislaufwirtschaft Bau veröffentlicht seit über 25 Jahren Monitoring-Berichte zum Aufkommen und zum Verbleib mineralischer Bauabfälle, die auf den amtlichen statistischen Daten basieren. Danach können mineralische Bauabfälle in zwei Gruppen unterschieden werden: Bodenaushub und Rückbaumaterialien. Im Durchschnitt fallen jährlich ca. 125 Mio. t Bodenaushub und etwa 82 Mio. t mineralische Rückbaumaterialien, wie Bauschutt oder Straßenaufbruch, an. Bodenaushub kann nur in bodenähnlichen Anwendungen verwertet werden und ist als Ersatz für Gesteinskörnungen nicht geeignet. Die Rückbaumaterialien werden aufbereitet und zu Recyclingbaustoffen verarbeitet. Die neueste Ausgabe des Monitoring-Berichts, welche im Februar 2023 veröffentlicht wurde, zeigt, dass die hergestellten rund 77 Mio. t Recyclingbaustoffe bereits heute zur Deckung des Bedarfs an Gesteinskörnungen eingesetzt werden. Kurzgefasst: Das stoffliche Potenzial körniger mineralischer Bauabfälle wird bei einer Verwertungsquote von etwa 94 % bereits heute fast vollständig genutzt. 

Downcycling ist schlecht – Upcycling ist gut?

In politischen Diskussionen wird häufig argumentiert, dass mineralische Bauabfälle heute überwiegend in „minderwertigen“ Anwendungen eingesetzt werden. Durch ein Upcycling und eine Verwertung im Produktbereich könnten bedeutende Ressourcenschutzpotenziale gehoben werden. Der Faktencheck zeigt allerdings, dass eine reine Umlenkung vom Tiefbau in den Produktbereich, z. B. als RC-Gesteinskörnung für die Betonherstellung, weder die Verwertungsquote erhöhen, noch den Bedarf an Primärrohstoffen senken würde. Denn die dem Tiefbau entzogenen Sekundärstoffe müssten nun dort durch Primärstoffe ersetzt werden, um den Bedarf für Baumaßnahmen zu decken: Ein Nullsummenspiel ohne positive Effekte auf den Ressourcenschutz. 

Potenziale für den Klimaschutz

Bei einer differenzierten Betrachtung von Verwertungsoptionen für einzelne mineralische Abfallströme ergibt sich allerdings durchaus ungenutztes Potenzial: Betonbruch und Teile des Mauerwerkbruchs können im Rahmen der Zementherstellung als Klinkersubstitut und als Rohmehlersatz eingesetzt werden. Dadurch werden Emissionen vermieden, die ansonsten prozessbedingt bei der Zementherstellung anfallen. Voraussetzung hierfür ist die sortenreine Trennung und spezielle Aufbereitung von Beton- und Mauerwerksbruch.

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie

Der bbs begleitet die laufenden Diskussionen zur nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ebenso wie die zahlreichen Initiativen rund um Circular Economy. Wir setzen uns für stoffstromspezifische Lösungen ein, die echte Vorteile für Ressourcen- und/oder Klimaschutz bringen und ökonomisch darstellbar sind.

— Veröffentlicht im Juni 2023

Links

Botschaften

Schon heute werden rund 90% aller mineralischen Bauabfälle verwertet

Effizienzpotenziale liegen in stoffstromspezifischen Ansätzen

Rechtliche Regelungen zum Ende der Abfalleigenschaft bilden die Basis für Circular Economy

Technologieoffene Ausschreibungs- und Vergabeverfahren fördern Sekundärstoffe und steigern deren Akzeptanz
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