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30.7.2025

Bundeshaushalt 2026: Baustoffindustrie warnt vor Kollaps im Wohnungsbau

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Blick in die Haushaltsentwürfe für 2025 und 2026 offenbart Gegenteiliges: Statt neuer Investitionen werden bestehende Programme lediglich vom regulären Haushalt in das Sondervermögen verschoben – ohne spürbare finanzielle Aufstockung. Im Bereich der Sanierungsförderung werden die Mittel 2026 sogar deutlich zusammengestrichen, obwohl die Sanierungsquote im Gebäudesektor weiterhin viel zu niedrig ist. Positiv ist immerhin der Hochlauf der Infrastrukturinvestitionen. Der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden (bbs) kritisiert die Prioritätensetzung beim Bundeshaushalt und warnt vor einem drohenden Kollaps im Wohnungsbau.

„Der Bundeshaushalt 2026 setzt nicht die richtigen Prioritäten. Die Bundesregierung unterschätzt völlig die Lage am Wohnungsmarkt“, sagt bbs-Hauptgeschäftsführer Matthias Frederichs. Konjunkturdaten untermauern die Kritik. Zwischen dem Höchststand Ende 2022 und Mitte 2025 sind die Baustarts im Wohnungsbau um rund 85 Prozent eingebrochen. Die Produktion von Wandbaustoffen – darunter Ziegel, Kalksandstein und Porenbeton – wurde im Zeitraum 2022 bis 2024 um rund 50 Prozent zurückgefahren. Seit dem ersten Quartal 2025 stagniert die Produktion auf diesem niedrigen Niveau. Ähnlich drastisch sieht es bei den Baugenehmigungen aus, die im selben Zeitraum um 48 Prozent gesunken sind. Sollte keine konjunkturelle Wende eintreten, so warnt Frederichs, könnten einige Unternehmen das Handtuch werfen. Dann droht ein Dominoeffekt – beginnend bei den Baustoffproduzenten bis hin zur gesamten Wertschöpfungskette im Wohnungsbau.“ In diesem Fall wäre ein zukünftiger Kapazitätsaufbau kaum mehr möglich.

Zwar soll die soziale Wohnraumförderung in den kommenden Jahren weiter aufgestockt werden, was aus Verbandssicht zu begrüßen ist. Allerdings fehlen Anreize für den frei finanzierten, bezahlbaren Wohnungsbau. Besonders fatal ist aus Sicht des bbs, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte vorübergehende Förderung des EH55-Standards weder in der Vorhabenplanung des Bauministeriums noch in den Haushaltsentwürfen auftaucht. Frederichs rechnet vor: „Ein Förderprogramm nach dem EH55-Vorbild würde einen Zuschuss von bis zu 30.000 Euro je Wohneinheit bedeuten und könnte dafür sorgen, dass ein großer Teil des Bauüberhangs doch noch realisiert wird. Das wären gut investierte Mittel.“  Denn eines sei klar: Bleibe die politische Kehrtwende aus, drohe der Wohnungsbau trotz des erheblichen Bedarfs von mindestens 320.000 neuen Wohnungen jährlich für längere Zeit unter die Marke von 200.000 Wohneinheiten zu fallen – soziale Verwerfungen wären die Folge.

Auch bei der dringend erforderlichen Erhöhung der Sanierungsquote im Gebäudesektor setze der Haushaltsentwurf falsche Signale: „Weite Teile unseres Gebäudebestands sind energetisch ineffizient. Mit den perspektivisch weiter steigenden Energie- und CO2-Kosten drohen Mietern und selbstnutzenden Eigentümern in wenigen Jahren erhebliche zusätzliche Belastungen. Hier bedarf es einer ambitionierten Förderpolitik, um sozialen Sprengstoff zu vermeiden”, sagt Frederichs.

In Bezug auf die dringend notwendige Infrastrukturerneuerung sei es laut Frederichs zwar erfreulich, dass die Investitionen in die Bundesverkehrswege im Haushalt 2026 auf hohem Niveau verstetigt werden. Es sei allerdings zweifelhaft, ob die geplanten Mittel so schnell wie geplant ausgegeben werden können – daher müsse dringend die Möglichkeit der überjährigen Verwendung der Gelder gewährleistet werden. "Das Infrastruktur-Sondervermögen ist für die Modernisierung Deutschlands von zentraler Bedeutung. Angesichts der damit verbundenen zusätzlichen Verschuldung muss gewährleistet sein, dass die Mittel auch zielgerichtet und wirksam eingesetzt werden”, so Frederichs.

Für die anstehende zweite Jahreshälfte fordert Frederichs eine klare Prioritätensetzung: „Die Bundesregierung muss kurzfristig alle im Koalitionsvertrag vereinbarten wohnungspolitischen Maßnahmen anstoßen, so dass sie bis Jahresende umgesetzt werden können. Gleichzeitig bedarf es einer Neujustierung der Sanierungsförderung und der Gewährleistung von Zusätzlichkeit bei den Infrastrukturinvestitionen aus dem Sondervermögen.“

Berlin, Juli 2025 – Die Baustoffproduktion in Deutschland ist in den vergangenen drei Jahren um rund ein Viertel zurückgegangen. „Die Auswirkungen sind im ganzen Land spürbar: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, an einer leistungsfähigen Infrastruktur und beim Klimaschutz kommen wir nicht in dem Tempo voran, das notwendig wäre“, so Dr. Dominik von Achten, Präsident des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (bbs), anlässlich der diesjährigen Mitgliederversammlung des Verbandes in Berlin. Trotz der angespannten Lage gebe es jedoch Anlass zu verhaltenem Optimismus: „Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung und insbesondere das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz senden wichtige Signale“, sagt von Achten. Die jüngsten Produktionsdaten ließen einen leichten Aufwärtstrend erkennen. „Sollten zentrale Vorhaben des schwarz-roten Sofortprogrammes bis Jahresende umgesetzt werden, könnten wir die Talsohle hinter uns lassen.“

Auch wenn Deutschland aktuell Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum unter den OECD-Ländern sei, zeige die Zusammenarbeit von Regierung und Opposition im Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaschutz, dass die strukturellen Probleme parteiübergreifend erkannt worden seien, so von Achten. Dies zeige auch der breit angelegte Instrumentenmix zur Entlastung bei den Energiekosten und der erkennbare Wille zur Reduktion der bürokratischen Pflichten. Dennoch macht von Achten deutlich: „Die Bundesregierung wird an dem gemessen, was sie tatsächlich auch umsetzt. Die 70-Tage-Frist, die sich Friedrich Merz gesetzt hat, läuft Mitte Juli ab. Nach den Ankündigungen ist nun Tempo bei der Umsetzung gefordert, um die Konjunktur wieder anzukurbeln und den Industriestandort zu stabilisieren.“

Neuwahlen des Verbandsvorstands

Im Zentrum der Mitgliederversammlung standen die turnusgemäßen Vorstandswahlen. Dr. Dominik von Achten, CEO von Heidelberg Materials, wurde für eine weitere dreijährige Amtszeit als Präsident des bbs bestätigt. In seiner Rede hob er den starken Zusammenhalt innerhalb der vielfältigen Baustoff-Steine-Erden-Industrie hervor, mahnte zugleich jedoch, sich mit dem aktuellen wirtschaftlichen Status quo nicht zufriedenzugeben. Dr. Kai Schaefer (Schaefer Kalk) wurde als zweiter Vizepräsident neben dem im Amt bestätigten Thomas Bremer (VG Orth) gewählt. Neu im Vorstand sind Cordula Gudduschat (Saint-Gobain) und Claus Girnghuber (GIMA). Wiedergewählt wurden außerdem Dr. Hannes Zapf (Zapf Kalksandsteinwerke), Christian Strunk (Hülskens Holding) und Felix Manzke (Manzke Gruppe).

Parlamentarischer Abend zum Start der neuen Legislaturperiode
Wie im vergangenen Jahr hat der bbs nach der Mitgliederversammlung zu einem Parlamentarischen Abend geladen. Nach den bau- und klimapolitischen Impulsen seitens der Bundesregierung diskutierte Vizepräsident Bremer vor rund 130 Gästen im Zollpackhof mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages über den Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, das Sondervermögen Infrastruktur sowie die Notwendigkeit der industriellen Transformation.

Deutschland investiert seit Jahrzehnten zu wenig in seine Infrastruktur. Das beeinträchtigt nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die Umsetzung zentraler politischer Ziele wie die der industriellen Transformation. Bei der dringend benötigten Einrichtung des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIKG) sollten deshalb die Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden, dass wirksame Impulse für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Dekarbonisierung der industriellen Basis Deutschlands gesetzt werden. Eine besondere Rolle kommt dabei den Grundstoffindustrien Baustoffe und Stahl beim dringend erforderlichen Infrastrukturausbau zu.


In einem gemeinsamen Positionspapier fordern der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. und die Wirtschaftsvereinigung Stahl daher, folgende Punkte bei der Ausgestaltung des Sondervermögens zu berücksichtigen:


1. Zielgerichtete Nutzung der Mittel des Sondervermögens und konsequente Verwendung für zusätzliche Investitionen

2. Stärkung nachhaltiger heimischer Produktion von Baumaterialien und Stahl u.a. durch Anpassungen im Vergaberecht und vorausschauende Rohstoffsicherung

3. Forcierung des Übergangs zur Klimaneutralität durch Investitionen investitionsfreundliche Rahmenbedingungen

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Im Energate-Gastkommentar bewertet bbs-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Frederichs die im Koalitionsvertrag enthaltenen Maßnahmen zur Entlastung bei den Energiekosten als klares Bekenntnis der Bundesregierung für die Energieintensiven Industrien am Standort Deutschland.

Damit die Entlastungen sowie das geplante Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz ihre gewünschte Wirkung entfalten, muss zudem die heimische Rohstoffgewinnung gestärkt werden. Hier gilt es die im Koalitionsvertrag dargelegte Absichtserklärung mit Leben zu füllen.

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