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10.7.2025

bbs-Jahrestagung: Zwischen Krise und Zuversicht

Berlin, Juli 2025 – Die Baustoffproduktion in Deutschland ist in den vergangenen drei Jahren um rund ein Viertel zurückgegangen. „Die Auswirkungen sind im ganzen Land spürbar: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, an einer leistungsfähigen Infrastruktur und beim Klimaschutz kommen wir nicht in dem Tempo voran, das notwendig wäre“, so Dr. Dominik von Achten, Präsident des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (bbs), anlässlich der diesjährigen Mitgliederversammlung des Verbandes in Berlin. Trotz der angespannten Lage gebe es jedoch Anlass zu verhaltenem Optimismus: „Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung und insbesondere das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz senden wichtige Signale“, sagt von Achten. Die jüngsten Produktionsdaten ließen einen leichten Aufwärtstrend erkennen. „Sollten zentrale Vorhaben des schwarz-roten Sofortprogrammes bis Jahresende umgesetzt werden, könnten wir die Talsohle hinter uns lassen.“

Auch wenn Deutschland aktuell Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum unter den OECD-Ländern sei, zeige die Zusammenarbeit von Regierung und Opposition im Rahmen des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaschutz, dass die strukturellen Probleme parteiübergreifend erkannt worden seien, so von Achten. Dies zeige auch der breit angelegte Instrumentenmix zur Entlastung bei den Energiekosten und der erkennbare Wille zur Reduktion der bürokratischen Pflichten. Dennoch macht von Achten deutlich: „Die Bundesregierung wird an dem gemessen, was sie tatsächlich auch umsetzt. Die 70-Tage-Frist, die sich Friedrich Merz gesetzt hat, läuft Mitte Juli ab. Nach den Ankündigungen ist nun Tempo bei der Umsetzung gefordert, um die Konjunktur wieder anzukurbeln und den Industriestandort zu stabilisieren.“

Neuwahlen des Verbandsvorstands

Im Zentrum der Mitgliederversammlung standen die turnusgemäßen Vorstandswahlen. Dr. Dominik von Achten, CEO von Heidelberg Materials, wurde für eine weitere dreijährige Amtszeit als Präsident des bbs bestätigt. In seiner Rede hob er den starken Zusammenhalt innerhalb der vielfältigen Baustoff-Steine-Erden-Industrie hervor, mahnte zugleich jedoch, sich mit dem aktuellen wirtschaftlichen Status quo nicht zufriedenzugeben. Dr. Kai Schaefer (Schaefer Kalk) wurde als zweiter Vizepräsident neben dem im Amt bestätigten Thomas Bremer (VG Orth) gewählt. Neu im Vorstand sind Cordula Gudduschat (Saint-Gobain) und Claus Girnghuber (GIMA). Wiedergewählt wurden außerdem Dr. Hannes Zapf (Zapf Kalksandsteinwerke), Christian Strunk (Hülskens Holding) und Felix Manzke (Manzke Gruppe).

Parlamentarischer Abend zum Start der neuen Legislaturperiode
Wie im vergangenen Jahr hat der bbs nach der Mitgliederversammlung zu einem Parlamentarischen Abend geladen. Nach den bau- und klimapolitischen Impulsen seitens der Bundesregierung diskutierte Vizepräsident Bremer vor rund 130 Gästen im Zollpackhof mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages über den Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, das Sondervermögen Infrastruktur sowie die Notwendigkeit der industriellen Transformation.

Deutschland investiert seit Jahrzehnten zu wenig in seine Infrastruktur. Das beeinträchtigt nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die Umsetzung zentraler politischer Ziele wie die der industriellen Transformation. Bei der dringend benötigten Einrichtung des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIKG) sollten deshalb die Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden, dass wirksame Impulse für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Dekarbonisierung der industriellen Basis Deutschlands gesetzt werden. Eine besondere Rolle kommt dabei den Grundstoffindustrien Baustoffe und Stahl beim dringend erforderlichen Infrastrukturausbau zu.


In einem gemeinsamen Positionspapier fordern der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. und die Wirtschaftsvereinigung Stahl daher, folgende Punkte bei der Ausgestaltung des Sondervermögens zu berücksichtigen:


1. Zielgerichtete Nutzung der Mittel des Sondervermögens und konsequente Verwendung für zusätzliche Investitionen

2. Stärkung nachhaltiger heimischer Produktion von Baumaterialien und Stahl u.a. durch Anpassungen im Vergaberecht und vorausschauende Rohstoffsicherung

3. Forcierung des Übergangs zur Klimaneutralität durch Investitionen investitionsfreundliche Rahmenbedingungen

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Im Energate-Gastkommentar bewertet bbs-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Frederichs die im Koalitionsvertrag enthaltenen Maßnahmen zur Entlastung bei den Energiekosten als klares Bekenntnis der Bundesregierung für die Energieintensiven Industrien am Standort Deutschland.

Damit die Entlastungen sowie das geplante Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz ihre gewünschte Wirkung entfalten, muss zudem die heimische Rohstoffgewinnung gestärkt werden. Hier gilt es die im Koalitionsvertrag dargelegte Absichtserklärung mit Leben zu füllen.

„Zu bezahlbarem Wohnraum gehört vor allem: Bauen, bauen, bauen.“ sagte Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner Regierungserklärung Mitte Mai. Neben der Bezahlbarkeit steht auch die Frage im Raum, auf welchen Flächen zukünftig eigentlich Wohnungen geschaffen werden sollen. Knapp vier Prozent von Deutsch-lands Fläche werden aktuell für den Bausektor in Anspruch genommen. Im Spannungsfeld zwischen wachsendem Wohnraumbedarf, Flächenkonkurrenz und ökologischen Zielsetzungen drohen zukünftig zentrale politische Ziele aneinander zu geraten. Denn die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sieht vor, Flächenneu-inanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen von aktuell 55 auf 30 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030 zu begrenzen. Ab 2050 soll der Flächenverbrauch sogar auf 0 Hektar reduziert werden. Im Rahmen der Studie „Wohnungsbau braucht (mehr) Fläche – Flächenneuinanspruchnahme und Innenentwicklungspotenziale auf dem Prüfstand“ analysiert die InWIS Forschung & Beratung GmbH im Auftrag von acht Bau- und Wohnungsverbänden die Vereinbarkeit von Wohnraumbedarf und Flächensparzielen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Allein durch Innenentwicklung kann der Wohnungsbedarf in Deutschland nicht gedeckt werden.

„Das politische Ziel der Flächenneuinanspruchnahme ist unter den aktuellen Bedingungen kaum erreichbar – ohne neue Wohnbauflächen vor allem in wachsenden Städten drohen massive Engpässe am Wohnungsmarkt“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Torsten Bölting. Die Studie zeigt: Während die Bevölkerungszahlen in vielen Regionen steigen und der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zunimmt, sind die Potenziale der Innenentwicklung – etwa durch Baulückenschließung oder Umnutzung – begrenzt, schwer mobilisierbar und häufig zu teuer. Die Reichweite verfügbarer Innenflächen reicht daher vielfach nicht zur langfristigen Abdeckung des Wohnungsbedarfs aus – ohne neue Flächen drohen daher gravierende Engpässe bei der Wohnraumversorgung.

Da der Beitrag der Innenentwicklung sowohl quantitativ also auch in der Geschwindigkeit der möglichen Realisierung hinter den Erfordernissen zurückbleibt, fordern die Autoren eine ehrliche Diskussion über Zielkonflikte zwischen Wohnraumbedarf, ökologischen Zielen und der Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. „Flächensparen darf nicht zur Wohnraumverknappung führen“, so Bölting weiter. Die Studie gibt konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung und Planung, wie ein pragmatischer Umgang mit der Flächenfrage gelingen kann – unter anderem durch verbesserte Datengrundlagen, beschleunigte Verfahren und gezielte Förderanreize für qualitätsvolle Nachverdichtung und maßvolle Außenentwicklung. Laut den Auftraggebern der Studie muss die neue Bundesbauministerin ihre Ankündigungen zur Ausweisung neuer Baulandflächen nun schnell in die Tat umsetzen. Denn nur auf ausreichend Flächen lässt sich mehr „bauen, bauen, bauen“.  

Die InWis-Studie „Wohnungsbau braucht (mehr) Fläche“ wurde von den folgenden Verbänden beauftragt:

Bundesarchitektenkammer e. V.
Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e. V.
Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e. V.
Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V.
Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e. V.
Verband Privater Bauherren e. V.
Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V.

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