Energie und Klima

Wettbe­­werbs­fähigkeit zurück im Fokus

Die jüngsten politischen Weichenstellungen auf deutscher und europäischer Ebene rücken wieder verstärkt das Thema Wettbewerbsfähigkeit in den Fokus. Ankündigungen wie der Clean Industrial Deal der EU, Stromkostensenkungen der neuen Bundesregierung oder neue Flexibilitätsanreize der Bundesnetzagentur wecken die Hoffnung auf neue Impulse auch in der in der Baustoff-Steine-Erden-Industrie – doch die Politk hat noch einige Hausaufgaben zu erledigen.

Die Baustoff-Steine-Erden-Industrie steht an der Schwelle eines tiefgreifenden Wandels. Angetrieben durch neue politische Impulse auf nationaler und europäischer Ebene, sind die Hoffnungen groß: auf weniger Bürokratie, wettbewerbfähigere Energiekosten, und bessere Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung der Industrie.

Der Clean Industrial Deal: Wettbewerbsfähigkeit als Kernziel

Ein zentrales Signal sendet der im Februar vorgestellte Clean Industrial Deal der neuen EU-Kommission – ein umfangreiches Maßnahmenpaket für die kommenden zwei Jahre, von dem auch die Baustoff-Steine-Erden-Industrie profitieren könnte. Die Amtszeit der letzten EU-Kommission war von ambitionierter Klima- und Umweltpolitik geprägt. In ihrem Programm für die kommende Legislatur rückt die neue Kommission nun Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und industriellen Dekarbonisierung in den Mittelpunkt. Sie reagiert damit auf die anhaltende Kritik an hohen Energiekosten, langen Genehmigungsverfahren und überbordender Berichtspflichten. So sollen durch einen „Aktionsplan für bezahlbare Energie“ Energiekosten spürbar gesenkt werden. Dabei setzt die Kommission v.a. auf den verstärkten Ausbau der Energieinfrastruktur, langfristige Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) und Differenzverträge (CfDs). Außerdem will die Kommission zusätzliche Flexibilitätsanreize bei den Netzentgelten schaffen. Dafür ist ein neuer Beihilferahmen in Arbeit, der auch die Fördermöglichkeiten zur Dekarbonisierung der Industrie erweitert, z. B. für die Direktelektrifizierung oder CCUS. Ein für Ende 2025 angekündigtes Gesetz zur Beschleunigung der industriellen Dekarbonisierung soll Genehmigungsverfahren straffen. Damit sollen auch grüne Leitmärkte und die nachhaltige Beschaffung auf europäischer Ebene vorangetrieben werden.

50 €/MWh
Entlastung plant die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag
Ansprechpartner
Adam Aach, Koordinator Energiepolitik
adam.aach@bvbaustoffe.de

Aus Sicht des bbs ist die Stoßrichtung der neuen Kommission grundsätzlich positiv. Gleichwohl bleiben Unsicherheiten bestehen: Aussagen zur Finanzierung des Clean Industrial Deals sind bislang noch sehr vage, und auch die nationale Umsetzung wird je nach Mitgliedstaat unterschiedlich verlaufen. Gleichzeitig droht wieder umfangreiche neue EU-Regulierung, deren Wirkung etwa bei den Energiepreisen zweifelhaft ist.

Koalitionsvertrag 2025: Stromkostensenkungen als Standortfaktor

Ähnliche Impulse setzt die neue Bundesregierung auf nationaler Ebene. So kündigen Union und SPD im Koalitionsvertrag gezielte Entlastungen für die energieintensive Industrie an. Dazu zählt etwa die dauerhafte Senkung der Stromkosten um mindestens 50 Euro/MWh, die u.a. über eine Deckelung der Netzentgelte und Umlagen erreicht werden soll. Die Strompreiskompensation (SPK), die die Baustoff-Steine-Erden-Industrie bislang nicht berücksichtigt, soll dauerhaft verlängert und auf weitere Branchen ausgeweitet werden. Auch ist die Rede von einem Industriestrompreis. Ebenfalls erfreulich ist, dass die neue Bundesregierung die für die Transformation der Baustoffindustrie so wichtigen Förderporgramme zur Dekarbonisierung der Industrie und für Gebäudeeffizienz fortsetzen will.

690 Mrd. Euro
sind laut dem „Aktionsplan für bezahlbare Energie“ der EU-Kommission in den Jahren 2031 bis 2040 an Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Netzkapazität notwendig

Flexibilisierungsanreize: Neue Chancen durch steuerbaren Energieverbrauch

Derweil arbeitet die Bundesnetzagentur an einer grundlegenden Reform der Stromnetzentgelte. Für die energieintensive Industrie geht es hier insbesondere um wirksame Anreize für flexiblen Stromverbrauch und eine Anpassung an die aktuelle Netzsituation, die von einem stetig steigenden Anteil dezentraler und volatiler Stromerzeugung geprägt ist. Abhängig von den jeweiligen Flexibilitätsgrenzen und der konkreten Anreizsetzung, könnten sich hier neue Einsparmöglichkeiten ergeben. Auf Basis der Rückmeldungen auch aus der Baustoff-Steine-Erden-Industrie konkretisiert die BNetzA derzeit ihre Reformvorschläge. Anschließend ist ein umfassender Konsultationsprozess geplant, in den sich der bbs aktiv einbringen wird.

Strategische Ausrichtung: Erfolgsfaktor in Zeiten des Wandels

In der Gesamtschau lässt sich sagen: Auch in der kommenden Energie- und Klimapolitik behält die industrielle Transformation hohe Priorität, wenngleich der Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit wieder an Bedeutung gewinnt. Diese Ausrichtung ist gut und richtig so und öffnet im besten Fall weitere Fenster für Investitionen in Effizienz, grüne Technologien und eine flexible Produktion – auch wenn die praktische Umsetzung Zeit, Ressourcen und strategische Weitsicht erfordert.

— Veröffentlicht im Juni 2025 | FOTO: Zementwerk Geseke/Steffen Höft

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